Kritische Bildung statt authoritärem Aufbegehren – Lehren aus Solingen

Zwei islamistische Anschläge innerhalb von 24 Stunden hinterlassen uns fassungslos.

Wir sind erleichtert, dass bei dem Brandanschlag auf eine Synagoge in La Grande-Motte in Frankreich niemand schwer verletzt wurde und gedenken der drei Opfer und acht Verletzten des Anschlags in Solingen sowie deren Angehörigen, Freund*innen und den Überlebenden.

Bereits kurz nach dem Anschlag in Solingen versuchten Rechtsextreme die Tat zu instumentalisieren, um gegen migrantisierte Menschen zu hetzen. Glücklicherweise blieben pogromähnliche Zustände wie in England (vorerst) aus.

Doch auch die reaktionäre Antwort der bürgerlichen Parteien ließ, so kurz vor den Landtagswahlen, nicht lange auf sich warten. Die CDU versucht die AfD rechts zu überholen und fordert einen “generellen Aufnahmestopp” sowie unbegrenzte Abschiebehaft. CSU und BSW möchten sich gar ein Beispiel an den dänischen “Abschiebelagern” nehmen, welche vom Europarat unlängst als schlimmer als russische Gefängnisse kritisiert wurden.

Mit dem ersten Abschiebeflug nach Afghanistan liefert die Bundesregierung nicht nur die Bilder, nach denen sich Rechte jahrelang sehnten, sondern wirft auch jegliche Skrupel hinsichtlich der Nicheinhaltung von Menschenrechten und der Kooperation mit islamistischen Regimen über Bord.

Um im autoritären Wettrennen nicht zurück zu fallen, stellte die Ampel-Regierung kürzlich ihr sogenanntes “Sicherheitspaket” vor, welches viele der klassischen AfD-Forderungen in die Tat umsetzt. Besonders die Streichung von Sozialleistungen für “Dublin-Fälle” ist so menschenunwürdig, dass unklar ist, ob sie überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Begleitet werden die Maßnahmen von einer Ausweitung der Befugnisse der staatlichen Repressions- und Überwachungsorgane: Die Messerverbote in Bus und Bahn bieten den rechtlichen Rahmen für anlasslose Kontrollen und damit eine Ausweitung des Racial Profiling; die Nutzung von KI und Gesichtserkennungssoftware sowie die Ausweitung der Befugnisse des Verfassungsschutzes intensivieren die Überwachung der breiten Bevölkerung.

Niemand glaubt ersthaft, dass die beschlossenen oder geforderten Maßnahmen den Anschlag von Solingen hätten verhindern können. Vielmehr ist es höchst fraglich, inwiefern die dramatische Verschlechterung der Lebensbedingungen von Asylsuchenden durch die beschlossene Streichung von Sozialleistungen und die pauschale Verurteilung ganzer Menschengruppen bestimmter Nationalitäten nicht selbst ein Klima der Radikalisierung begünstigen. Es ist nicht rational begründbar warum Geld für Bildungsprojekte, insbesondere zu Islamismus, gestrichen werden soll, während beim Ausbau von Überwachung und Repression Ressourcen im Überfluss bereitgestellt werden.

Wir befinden uns in einer Spirale, in der Autorität zum Selbstzweck geworden ist.

Doch Islamismus lässt sich nicht durch ein autoritäres Aufgebähren, sondern nur durch eine kritische Bildung eindämmen. Die ideologische und materielle Grundlage des Islamismus muss an der Wurzel bekämpft werden. Dazu muss Islamismus als strukturelles Problem erkannt werden, anstatt das Problem einerseits zu individualisieren, indem so getan wird, als ob Islamismus ein Problem einzelner Straftäter sei und es dabei andererseits pauschal und rassistisch auf ganze Gruppen zu projezieren.

Nicht nur im rechten Lager und der dazu übergelaufenen ehemaligen sog. “bürgerlichen Mitte” ist dieses Phänomen zu beobachten; Auch in der (radikalen) Linken verhindern verkürzte und schematische Erklärungsmuster oftmals eine differenzierte Analsye islamistischer Gewalt. Statt sich mit Islamismus und dessen zentralem Agitationspunkt, dem Antisemitismus kritisch auseinanderzusetzen, wurde dieser teils geleugnet oder sogar offen begrüßt. Kritik am Islamismus wurde als rassistisches Narrativ diffamiert. Einfache Freund-Feind-Schemata mündeten in der Verklärung islamistischer Gewalt, wie der der Hamas, der Houthi oder der Hisbollah als antikoloniale oder antiimperialistische Kämpfe. Insbesondere durch den Aufruf zur (globalen) Intifada wurde islamistische und antisemitische Gewalt im Vorfeld normalisiert.

Es braucht eine kritische Bildung, die erwiesene Fakten anstelle von Populismus und simpler Feindbilder stellt, und das Problem als systematisches statt als individuelles erkennt, ohne dabei den Blick für das Individuum zu verlieren. Eine kritische Bildung, die einen solidarischen Diskurs statt Gewalt und Populismus als Mittel des politischen Entscheidungsfindungsprozesses setzt. Eine kritische Bildung, welche sich entschieden gegen Islamismus, Rassismus und alle Formen der autoritären Herrschaft einsetzt.